Mit Optimismus ins Stadtexperiment
Sehr gute Resonanz auf Bürgerbefragung zur oberen Bahnstraße
Die Vorbereitungen für das Stadtexperiment zur Attraktivierung der oberen Bahnstraße laufen auf Hochtouren. Und in der Bürgerschaft sind das Interesse und die Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Einkaufsmeile groß. So zumindest legen es die Ergebnisse und die rege Beteiligung an der Bürgerbefragung nahe, mit der vor dem Start der „Ist-Zustand“ erfasst wurde.
Genau 2.536 Teilnehmer verzeichnete die mit der Umfrage beauftrage Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA). „Das sind rund 1.000 mehr als von der GMA erwartet und zeigt, wie wichtig den Langenerinnen und Langenern, die 95 Prozent der Befragten ausmachen, die Zukunft der oberen Bahnstraße ist“, sagt Joachim Kolbe, städtischer Fachbereichsleiter Stadtentwicklung, Wirtschaft, Kultur und Sport. Die Beteiligung an der Umfrage war sowohl online als auch über ausgedruckte Fragebögen möglich und stand jedermann offen.
Dass die Bahnstraße trotz der zurückliegenden Lockdowns, trotz Online-Handel und der aktuellen Baustellen fest im Bewusstsein der Menschen in Langen verwurzelt ist, zeigt schon die Tatsache, dass 81 Prozent der Umfrageteilnehmer mehr als einmal pro Woche in der Innenstadtstraße unterwegs sind. Mit 45 Prozent am häufigsten angegeben wurde die Rubrik „ein bis drei Mal“. 40 Prozent der Befragten kommen mit dem Auto oder dem Motorrad, aber 58 Prozent machen sich mit dem Fahrrad oder zu Fuß auf den Weg.
Beim Grund für den Besuch der Bahnstraße liegt das Einkaufen an der Spitze, auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Besuch von Eis- und normalen Cafés oder Restaurants wurde häufig angegeben. Da in diesem Bereich Mehrfachnennungen möglich waren, hat sich gezeigt, dass viele Langenerinnen und Langener mehrere Unternehmungen kombinieren. Bummeln und flanieren oder Treffen mit Freunden spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
Die den aktuellen Baustellen geschuldete Einbahnstraßenregelung kommt trotz manch unübersichtlicher Situation gut an in der Bevölkerung: 63 Prozent der Befragten stehen ihr positiv gegenüber, nur 22 Prozent negativ. 14 Prozent gaben eine neutrale Haltung an. Differenziert man die Einstellung zur Einbahnstraße nach Verkehrsarten, stößt sie bei den Fahrradfahrern mit 76 Prozent auf die größte Zustimmung, gefolgt von den Fußgängern mit 67 Prozent. Aber selbst 51 Prozent der Autofahrer befürworten sie, nur 33 Prozent von ihnen stehen der Regelung negativ gegenüber.
Gefragt nach den Argumenten für ihre Haltung zur Einbahnregelung, rangierte „weniger Verkehr“ mit 546 Nennungen mit weitem Vorsprung ganz vorne auf der Positiv-Seite. Auch „mehr Sicherheit“ (154), „übersichtlicher“ (129), „weniger Hektik“ (122) und „besseres Parken“ (109) wurden häufig angegeben.
Die Negativ-Seite wird mit 224 Nennungen angeführt von genereller Kritik daran, dass der Verkehr nur noch in eine Richtung fließt und dadurch Umwege entstehen. „Zu wenige Parkplätze“ wurde lediglich 61 Mal genannt.
Deutlich wird auch: Nur 23 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass durch die Einbahnstraße unzumutbare Umwege für Autofahrer entstanden sind. Fragt man nur die Betroffenen selbst, finden 34 Prozent die längeren Wege nicht zumutbar.
Die überwiegend positive Grundhaltung zur Einbahnregelung spiegelt sich in weiteren Detailfragen wider: „Die Bahnstraße gewinnt an Aufenthaltsqualität“ finden 59 Prozent der Umfrageteilnehmer (26 Prozent finden das nicht). Eine Verkehrsberuhigung sehen 60 Prozent (Nein sagen 22 Prozent). Und 67 Prozent sind der Ansicht, dass eine Querung der Fahrbahn durch Fußgänger nun sicherer möglich ist.
„Das sind angesichts der Einschränkungen durch die Baustellen durchaus unerwartete Erkenntnisse“, sagt Joachim Kolbe. „Ich denke, da sind auch bereits Erwartungen in die Zukunft mit eingeflossen.“ Wie diese Zukunft während des etwa 18 Monate dauernden Stadtexperiments aussehen soll, wird innerhalb der Stadtverwaltung derzeit abgestimmt. Dabei fließen auch Wünsche mit ein, die in der Umfrage geäußert werden konnten, zum Beispiel mehr Stadtgrün und mehr Flächen für Gastronomie. So zeigte sich, dass Sauberkeit, Sicherheit und Geschäfte den Menschen sehr wichtig sind. Dagegen sind das Parkplatzangebot und Lärmreduktion für die meisten weniger wichtig.
Ein als Verschlechterung oft genannter Punkt war die Belastung anderer Straßen. „Ganz speziell in der Heinrichstraße herrscht dringender Handlungsbedarf“, sagt Bürgermeister Jan Werner. „Wir werden die Anregungen aufnehmen und möchten im Zuge des Versuchs in der engen Heinrichstraße ebenfalls eine Einbahnregelung einführen, um dort Begegnungsverkehr zu verhindern.“
Eine Entlastung wird mittelfristig auch die Einführung des „Hoppers“ im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ab Mitte 2022 bringen. Durch diesen werden Fahrten der großen Linienbusse im Langener Stadtgebiet und damit auch in der Innenstadt vermutlich zurückgehen. „Wir werden die Auswirkungen des Stadtexperiments in der Bahnstraße auf die umliegenden Straßen auf jeden Fall sehr genau im Auge behalten und bei steigenden Belastungen Abhilfe schaffen, wo immer das möglich ist“, verspricht Jan Werner.
Die positive Haltung der Bevölkerungsmehrheit zur Einbahnstraßenregelung wird auch von den Gewerbetreibenden geteilt. Beim jüngsten Citymarketing-Workshop stellten Joachim Kolbe und sein Team ihre Ideen vor, die von mehr Grün über zusätzliche Flächen für Gastronomie, Ruhezonen und Fahrradständer bis hin zu Veranstaltungen und Lichtinstallationen reichen. „Wir werden die Straße nicht umbauen“, stellt der oberste Wirtschaftsförderer klar. „Durch das Landesprogramm ,Zukunft Innenstadt‘ haben wir inklusive Eigenmitteln 300.000 Euro zur Verfügung“, sagt Joachim Kolbe. „Das ermöglicht uns, punktuelle Akzente zu setzen und für Belebung zu sorgen, aber keine Umgestaltung der Innenstadt.“ Bürgermeister Jan Werner ergänzt: „Es wird aber auf jeden Fall eine Verbesserung und wir sind natürlich sehr froh, dass unser Projekt vom Land Hessen gefördert wird.“
Wichtig Jan Werner und Joachim Kolbe ihm die Feststellung, dass an keiner Stelle unwiderrufliche Fakten geschaffen werden. „Wir werden alles so einrichten, dass es entweder schnell veränderbar ist oder aber auch bei einem Verkehrsfluss in beide Richtungen bestehen bleiben kann“, erklärt Joachim Kolbe. Denn eines ist klar: Nach 18 Monaten wird Bilanz gezogen, zudem folgt gegen Ende des Stadtexperiments eine weitere Befragung der Bevölkerung. „Dann werden die Kommunalpolitiker alle erforderlichen Erkenntnisse vorliegen haben, um eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Bahnstraße zu treffen“, stellt Jan Werner in Aussicht.