Raubvögel-Show soll Gänse einschüchtern
Vergrämungsaktion am Strandbad Langener Waldsee
Hope – englisch für Hoffnung – ist 13 Jahre alt und eine erfahrene Jägerin. Interessiert lässt der Greifvogel den Blick über den Langener Waldsee schweifen und wirkt sichtlich angetan, als er eine Gruppe Gänse am Ufer entdeckt. Das Wüstenbussard-Weibchen und Falkner Michael Schanze, auf dessen Arm Hope sitzt, haben eine gemeinsame Mission: Nilgänse vom Langener Waldsee vertreiben.
Bundesweit ist die Nilgans-Population auf dem Vormarsch. Die großen Wasservögel stehen auf der EU-Liste der invasiven Arten und vermehren sich seit Jahren rasant in der Nähe deutscher Gewässer. Auch am Strandbad Langener Waldsee bringt das mehrere Probleme mit sich. Die Gänse hinterlassen große Mengen Kot auf den Liegeflächen und Wiesen und sorgen so für einen enormen Arbeitsaufwand beim Bäderpersonal. „Die Priorität liegt immer bei der Wasseraufsicht und der Sicherheit der Badegäste“, sagt Joachim Kolbe, Geschäftsführer der Bäder- und Hallenmanagement Langen GmbH (BaHaMa). „Unser Team reinigt das Strandbad so oft, wie es im laufenden Betrieb möglich ist“, betont Kolbe. Angesichts der steigenden Gans-Population am See sei das aber eine Sisyphos-Aufgabe.
Nicht nur Menschen fühlen sich durch die Nilgans-Schwärme gestört. Die Tiere halten sich mittlerweile ganzjährig am Langener Waldsee auf und verdrängen immer mehr heimische Arten. „Seit die Nilgänse am Waldsee leben, lassen sich kaum noch Stockenten blicken“, gibt Kolbe zu Protokoll. Gerade in der Brutzeit legen die ursprünglich aus Afrika stammenden Nilgänse Wert auf die ungeteilte Herrschaft in ihrem Territorium. Falkner Michael Schanze weiß: „Es gab schon Fälle von Nilgänsen, die Weißstörche oder Wanderfalken aus ihren Nestern verdrängt haben.“ Auch die am Waldsee brütenden Schwäne zeigen sich nicht begeistert von ihren zugezogenen Nachbarn und halten lieber Abstand.
Schanze, der mit drei Raubvögeln – zwei Wüstenbussarden und einem Steinadler – vor Ort ist – soll die Nilgänse zum Umzug bewegen. „Sobald natürliche Fressfeinde auftauchen, meiden die Gänse den Ort erstmal, sind vorsichtig und ziehen dann zu anderen Nistplätzen um“, erklärt der Fachmann die Theorie. Richtig ernst machen seine fliegenden Raubtiere beim Einsatz am Waldsee aber nicht – die Gänse haben laut Hessischer Jagverordnung Schonzeit bis August und dürfen in dieser Zeit nicht bejagt werden. Zur so genannten Vergrämung sei das auch nicht unbedingt nötig. „Kurze Übungsflüge der Raubvögel reichen häufig, um ein Gefahrenpotential zu suggerieren“, erläutert Schanze. Der Vogel, der die Hessische Jagdordnung vermutlich nicht kennt oder achtet, bleibe dabei an einer Art Leine, die keine weiten Ausflüge erlaubt.
Bei einem ersten Versuch läuft der Falkner mit Hope auf dem Arm den Badestrand entlang. Keine 15 Meter trennen ihn von einer Gruppe Kanadagänse, die sich am Ufer aufhält. Die Nilgänse, die sich kurze Zeit vorher hier getummelt haben, sind getürmt, aber Schanze ist sich sicher, dass die artverwandten Vögel die Aktion aus ihren Verstecken ebenfalls mitbekommen. Auf Kommando präsentiert sich der Bussard auf dem Arm äußerst effektvoll und startet in Richtung der Gänse. Die entscheiden sich für die Flucht über das Wasser und haben damit Glück. „Bussarde jagen nicht über dem Wasser“, erklärt Schanze. Das sei aber kein Problem - es gehe ja um Abschreckung, nicht um einen Beutezug. Wirkung zeigt die Aktion jedenfalls auch bei ein paar Blässhühnern, die im Badebereich unterwegs sind: Sie suchen ebenfalls auf dem Seeweg das Weite.
Wüstenbussarde sind mit Flügelspannweiten bis zu 1,3 Meter und einem Gewicht von bis zu 1,3 Kilogramm die kleineren Greifvögel im Gepäck von Michael Schanze. Steinadler-Männchen Yako, der sich ebenfalls am Strandbad zeigen darf, gehört zu den größten heimischen Greifvögeln und kann es auf eine Spannweite von 2,3 Meter und ein Gewicht bis zu 6,5 Kilogramm bringen. „Steinadler können Beutetiere, wie Gänse oder sogar Rehe auch über Wasserflächen ergreifen und ein vielfaches ihres Eigengewichts im Flug tragen“, weiß Schanze, der neben seiner Falknerei in Haunetal auch eine Aufzuchtstation für Greifvögel betreibt.
Ob die Vergrämungsaktion am Strandbad erfolgreich war, wird sich mittelfristig zeigen. Es ist nicht der erste Anlauf, dem Gänsekot-Problem Herr zu werden. „Wir haben zahlreiche, mitunter recht kreative, Versuche der Vergrämung hinter uns und sind nicht die einzige Kommune, die vor dieser Herausforderung steht“, bilanziert Bäder-Chef Kolbe. Städte wie Frankfurt, Offenbach oder Bad Homburg kämpfen mit Nilganspopulationen und suchen nach einer Lösung für das fedrige Dilemma. In einem weiteren Schritt möchte die BaHaMa jetzt auf die Information der Badegäste setzen und gut sichtbar den Hinweis platzieren, dass die Gänse nicht gefüttert werden sollen. Das käme nämlich durchaus vor und mache das Strandbad zu einem noch attraktiveren Aufenthaltsort für das langhalsige Federvieh.